Hausbankbeziehung in Gefahr! – Girokonto als strategisches Leuchtturmprodukt

Die Krise der exklusiven Kundenbeziehungen

Mit der wachsenden Bereitschaft zur Online-Kontoführung verlagert sich der Trend zu Online-Kontomodellen immer schneller, während der Anteil an Exklusivkunden weiter sinkt. Immer mehr Kunden pflegen Mehrbank-Beziehungen. Laut dem Ipsos Finanzmarktpanel hat jeder Deutsche bereits 1,9 Bankverbindungen und nur 49% gaben an, ausschließlich eine einzige Bankbeziehungen zu unterhalten (Ipsos, 2022). Die Etablierung von Zwei-Konto-Beziehungen – bei denen beispielsweise das Girokonto in der Hausbank geführt, ergänzende Finanzprodukte wie Tagesgeldkonto oder Depotkonto bei Direktbanken und Neo-Banken bezogen werden – birgt erhebliche Risiken für die traditionelle Kunden-Bank-Beziehung. Insbesondere Filialbanken sehen sich der Gefahr ausgesetzt, dass ihre traditionelle Provisionsquellen weiter unter Druck geraten.

Die in den vergangenen Jahren beobachtete Praxis, fehlende Erträge durch reine Preiserhöhungen auszugleichen, hat bei den Kunden der Filialbanken keinen wahrnehmbaren Mehrwert erzeugt. Vielmehr führte dies zu einer zunehmenden Distanzierung und Entfremdung der Kunden von ihrer Hausbank. So geben 36 % der Befragten an, dass sie Sparkassen als bevorzugtes Geldinstitut für ihr Privatkonto nutzen, während Volks- und Raiffeisenbanken bei 12 % der Befragten am beliebsten sind (Consumer Insights Global 10/2024).

Girokonto als Dreh- und Angelpunkt der Hausbankbeziehung

Auch im digitalen Zeitalter wird die Hausbankbeziehung über das Girokonto bzw. Gehaltskonto definiert – ein Finanzprodukt, das weit mehr ist als ein reines Transaktionsinstrument. Das Girokonto hat sich als strategisches Leuchturmprodukt etabliert, das den gesamten Kontaktpunkt zwischen Kunde und Bank prägt und maßgeblich das gesamte Dienstleistungsangebot einer Genossenschaftsbank oder Sparkasse bestimmt. Das Girokonto bleibt eines der wichtigsten Finanzprodukten und spielt aus mehreren Gründen eine strategische Rolle als Produkt für Kreditinstitute.

Girokonto ist nicht ein reines Transaktionsinstrument, sondern ein strategischer Schlüssel der Kundenbeziehung!

Das Girokonto ist keineswegs ein standardisiertes Produkt oder ein reines Transaktionsinstrument. Insbesondere für regionale Kreditinstitute spielt es eine entscheidende Rolle für weitere Aktivitäten mit dem Kunden. Vor allem sind folgende Gründe ausschlaggebend für die strategische Bedeutung des Girokontos:

Provisionsgeschäft – ein zentraler Gewinntreiber: Das Girokonto ist von besonderer Relevanz für das Provisionsgeschäft der Filialbanken. Aus meiner Erfahrung in über 250 Pricing-Projekten als Unternehmensberater können, abhängig von der Bank, bis zu 50 % der Gesamterträge im Provisionsgeschäft aus dem Zahlungsverkehr generiert werden. Diese signifikate Einnahmequelle unterschtreicht die Notwendigkeit, das Girokonto als Dreh- und Angelpunkt noch stärker zu positionieren.
Ankerprodukt für Cross-Selling: In vielen Fällen stellt das Girokonto den ersten Kontaktpunkt zwischen Bank und Kunde dar. Als Ankerprodukt eröffnet es die Möglichkeit, weitere Finanzprodukte erfolgreich zu vermitteln. Die enge Vernetzung des Girokontos mit ergänzenden Finanzprodukte und Dienstleistungen stärkt nicht nur die Kundenbindung, sondern eröffnet auch zusätzliche Ertragschancen.
Drehscheibe der Kundenbeziehung: Die geschäftspolitische Relevanz des Girokontos geht weit über den Zahlungsverkehr hinaus. Viele Impulse für den weiteren Kundenbedarf gehen direkt vom Girokonto aus – eine Tatsache, der in der Finanzberatung von morgen, die verstärkt auf detaillierte Informationen über Kunden und deren Verhalten angewiesen ist, an Bedeutung gewinnt. Das Girokonto fungiert somit als Drehscheibe der Kundenbeziehung.
Vertriebsrelevante Informationen als Schlüsselressource: Ein Großteil der vertriebsrelevanten Informationen stammen aus dem Girokonto, das von den Kunden in der Regel als Hausbank- oder Gehaltskonto genutzt wird. Es bietet Einblicke in die finanziellen Gewohnhieten der Kunden und bildet eine wichtige Grundlage für gezielte Kundenangebote und eine individuelle Finanzberatung.
Girokonto ist mehr als ein Finanzprodukt – es ist eine strategische Positionierung mit dem Kunden: Vor allem die Filialbanken agieren in einem dynamischen Umfeld und müssen ihr Girokonto als zentralen Baustein einer ganzheitlichen Kunden- und Produktstrategie im digitalen Zeitalter neu denken. Ein konsistentes und nahtlos integriertes Kundenerlebnis über alle Kanäle hinweg ist entscheidend. Dabei gilt es, das Girokonto als Ausgangspunkt für individuelle Finanzdienstleistungen zu nutzen und durch personalisierte Mehrwertangebote kontinuierlich aufzuweiten. Besonders für regionale Institute wie Sparkassen und Genossenschaftsbanken ist es essenziell, neben der digitalen Exzellenz auch den Faktor Nähe und persönliche Beratung zu bewahren, um langfristige Kundenbeziehungen zu sichern.

Zukunftsorientierte Produkt- und Preispolitik

Die Zukunft der Hausbankbeziehung wird maßgeblich davon abhängen, wie erfolgreich regionale Kreditinstitute das Girokonto als zentraler Baustein einer ganzheitliochen Kunden- und Produktstrategie weiterentwickeln und positionieren. Ein zukunftsweisende produkt- und preispolitische Gestaltung des Girokontos ist von strategischer Relevanz, um die bestehende Marktposition in der Hausbankbeziehung zu halten. Innovative Konzepte erfordern dabei modulare Produkte, personalisierte Angebote – auch mit bankbremden Leistungen – sowie gezielte Kooperationen.

Sind Sie an einem Austauch interessiert?

Die Neuausrichtung des Girokontos ist eine strategische Entscheidung, um die Hausbankbeziehung zukunftssicher auszustellen. Falls Sie Interesse an einem vertiefenden Austausch über innovative Girokontomodelle und Preispolitik im Privat- und Firmenkundenbereich haben, freue ich mich auf Ihre Kontaktaufnahme. Lassen Sie uns gemeinsam die Potenziale dieses Leistungsfeldes für Ihre Bank analysieren. Durch die Kombination aus wissenschaftlicher Expertise und langjähriger Praxiserfahrung im Consulting können wir innovative, maßgeschneiderte Konzepte für Ihre Bank entwickeln und erfolgreich validieren.

Herzliche Grüße

Prof. Dr. Argjent Demiri


Quellen:

Demiri, A. (2024): Finanzberatung heute: Eine Situationsanalyse der Finanzbranche; ISBN-13: 9783757844950

Statista. (24. Oktober, 2024). Beliebteste Geldinstitute für das Privatkonto in Deutschland im Jahr 2024 [Graph]. In Statista. Zugriff von https://de.statista.com/prognosen/999886/deutschland-beliebteste-geldinstitute-fuer-das-privatkonto

Ipsos (2022), in: https://www.ipsos.com/de-de/eine-bank-ist-nicht-genug-deutsche-nutzen-neben-hauptbankverbindungen-oft-spezialisierte-anbieter

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